08.03.2020, Berlin

Ehemalige Bundesministerin Wanka appelliert zum Frauentag 2020 an weibliche MINT-Talente: „Mutig sein, nicht klein denken, alles wollen.“

Berlin, März 2020 – Der internationale Frauentag setzt jährlich am 8. März ein Zeichen für Frauenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Die Berliner Femtec GmbH nutzt den Aktionstag der UNO, um junge Frauen dazu zu motivieren, sich für die Karriere in einem MINT-Beruf zu entscheiden. Das internationale Netzwerk für weibliche MINT-Talente wird dabei prominent von seiner Aufsichtsratsvorsitzenden, der ehemaligen Bundesministerin für Bildung und Forschung, Professorin Dr. Johanna Wanka, unterstützt.

Frau Professorin Wanka, Sie haben selbst Mathematik – also im MINT-Bereich – studiert. Woher rührte damals Ihre Begeisterung für dieses Fach?

Ich mochte Mathematik schon in der Schule sehr gern, weil es ein Fach ist, bei dem man mit Logik sehr viel erreichen kann, das lag mir und hat mir viel Spaß gemacht. Ich hatte dann sehr schnell erste Erfolge, zum Beispiel die Mathema­tik-Olympiade, die es in der DDR gab. Vor allem war Mathe aber im Gegensatz zu beispielsweise Germanistik ein Fach, das ideologisch nicht so dominiert war. Das war dann letztendlich auch der aus­schlaggebende Grund für meine Ent­scheidung, Mathematik zu studieren.

Welche Unterstützung hätten Sie sich damals während des Studiums oder danach gewünscht?

Ich komme von einem Bauernhof und war in der Familie die erste in meiner Gene­ration, die studiert hat. Insofern fehlte mir von zu Hause eine Begleitung – je­mand, der mir Mut machte oder den Rü­cken stärkte. Aber trotzdem lief für mich alles sehr gut. Ich habe gleich zu Anfang meines Studiums meinen Mann kennen­gelernt, dadurch waren wir zu zweit und haben uns beide stärken und gegenseitig motivieren können.

In Leipzig haben zu der Zeit 250 Menschen begonnen, Mathematik zu studieren, davon 100 Frauen. Das war ungewöhnlich viel – wir waren deswegen auch oft in der Presse. Von den 250 haben am Ende dann nur 100 das Diplom geschafft – es war also ein sehr hartes Studium. Da hätte ich mir eine mentale Begleitung, die mich bestärkt und mir Mut macht, dass ich das schaffen kann, sehr gewünscht.

Sie waren die erste Frau aus einem ostdeutschen Bundesland, die Ministerin in einem westdeutschen Bundesland wurde. Wie haben Sie es geschafft, sich in einer von westdeutschen Männern besetzten Domäne durchzusetzen?

Ob als Studentin, als Mitarbeiterin oder später Professorin und Rektorin an der Hochschule – ich habe immer schon in einem Umfeld gearbeitet, das von Män­nern dominiert wurde. Das war also für mich dann nichts Neues mehr, als ich Ministerin wurde. Ich glaube, wichtig war eher, dass ich meine Erfahrungen, die ich in den neun Jahren vorher als Ministerin in Brandenburg gesammelt hatte, in Niedersachsen miteinbringen konnte. Natürlich kämpft jede und jeder immer für den eigenen Bereich, das ei­gene Ressort und muss sich das Wissen aneignen, das für die jeweilige Position wichtig ist. Aber entscheidend für mich war es vor allem – und ist es immer noch, – dass man vor allem am gemein­samen Erfolg interessiert ist, dass man zusammenarbeitet und das Gemeinsame sieht.

Am 8. März ist Weltfrauentag. Wie werden Sie den Tag verbringen? Welche Botschaft würden Sie gern an diesem Tag kommunizieren?

Der 8. März ist ein Ritual, sollte aber nicht zum Ritual erstarren, wie es in der DDR aus meiner Sicht leider passiert ist. Und wir Frauen sollten uns nicht mit diesem einen Tag im Jahr zufrieden ge­ben. Wir brauchen eigentlich jeden Tag. Meine Botschaft: Ich finde es sehr bedau­erlich, wenn an diesem Tag vor allem die bestehenden Nachteile, unter anderem Diskrepanzen bezüglich des Gehalts, the­matisiert werden. Das ist wichtig, keine Frage, aber das sollte nicht alles sein. Ich wünsche mir, dass an diesem Tag auch Erfolge kommuniziert werden, dass noch mehr darüber berichtet wird, was sich alles schon zum Positiven für uns Frauen verändert hat. Wir sollten Mut machen, nicht nur problematisieren.

Wie hat sich die Situation für Frauen in MINT-Berufen in den letzten Jahren verändert? Was muss Ihrer Auffassung nach noch getan werden, um ein Umdenken anzustoßen?

Es gibt schon viele Erfolge: Der Anteil der Frauen, die im MINT-Bereich studie­ren, ist im internationalen Vergleich gewachsen, zum Beispiel in der Mathe­matik, in der Chemie und im Bauingeni­eurwesen. Aber es gibt leider immer noch einen großen Mangel an Studentin­nen in den Fächern Elektrotechnik, Ma­schinenbau oder Informatik, da muss sich zukünftig etwas verändern. Diese Fächer müssten noch stärker beworben werden. Schon in der Schule sollten Mäd­chen davon erfahren, wie spannend sol­che Fachrichtungen eigentlich sind. Da wird noch viel zu wenig gemacht! Da sind neue Konzepte gefragt, wie wir jun­ge Frauen für diese technisch orientier­ten Berufsfelder begeistern können.

Noch wesentlich größeren Handlungsbe­darf sehr ich allerdings im Bereich der Ausbildungsberufe – da gibt es noch Ei­niges zu tun, gerade im Handwerk. Hier sollten wir nach neuen Wegen suchen, wie wir in der Schule nicht nur die intel­lektuellen, sondern auch die technischen Fähigkeiten stärker fördern können.

Wenn Sie in einem Satz die Frage beantworten müssten, warum Frauenpower im MINT-Bereich so wichtig ist, was würden Sie sagen?

Wir können in sehr vielen Leistungsbe­reichen eine starke Kompetenz von jun­gen Frauen ablesen. Ich finde, es ist volkswirtschaftlich zwingend notwendig, dieses Potenzial, gerade jetzt, in Zeiten des Fachkräftemangels in allen mögli­chen Disziplinen, wirklich zu nutzen. Für jede einzelne Frau ermöglicht eine Karriere im MINT-Bereich viele persönliche Chancen – nicht nur rein fachlich gese­hen, sondern auch was die finanzielle Unabhängigkeit und Sicherheit, die Ge­staltung des Lebens mit Kindern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf angeht.

Kurz gesagt: Die leistungsfähi­gen Frauen sind da, dieses Potenzial muss volkswirtschaftlich erschlossen werden. Gleichzeitig bietet der MINT-Bereich diesen Frauen glänzende Karri­erechancen, die sie im eigenen Interesse unbedingt nutzen sollten.

Was hat Sie motiviert, als Aufsichtsratsvorsitzende ein Teil von Femtec zu werden?

Es gibt schon zahlreiche Programme, mit denen Frauen im Studium und im Beruf gefördert werden sollen, dafür wird be­reits sehr viel Geld ausgegeben. Aber oft führt das noch nicht zu den gewünschten Erfolgen. Femtec hingegen leistet etwas, was sehr wirkungsvoll ist, was funktio­niert, was Frauen effektiv fördert, was aber bundesweit leider noch zu wenig bekannt ist. Daher meine Motivation, dieses Angebot sichtbarer zu machen und zu fördern.

Welchen Handlungsbedarf für Femtec leiten Sie aus Ihrer Arbeit als Ministerin für Bildung und Forschung ab? An welchen Punkten könnte Femtec die Entwicklung noch weiter vorantreiben?

Es ist schwierig, gute Konzepte und Ide­en zu finden, um Frauen wirklich zu fördern. Ein positives Beispiel ist das Professorinnenprogramm. Das Angebot von Femtec – vom studienbegleitenden Career-Building Programm bis hin zur Personal- und Karriereberatung über das Femtec Netzwerk – sehe ich nicht nur als bundesweites Angebot, sondern auch als möglichen Innovator und Impulsge­ber für Frauen in den einzelnen Bundes­ländern und Kommunen. Hier würde ich gern noch weitere Ideen zusammen mit Femtec entwickeln.

Was würden Sie Frauen ans Herz legen, die noch daran zweifeln, ob ein MINT-Studium etwas für sie ist oder ob sie sich später einmal durchsetzen können werden?

Ich würde den Frauen raten, mutig zu sein, nicht klein zu denken, alles zu wol­len: Beruflichen Erfolg und gutes Ein­kommen, um damit dann auch Familie besser ermöglichen zu können. Abstri­che werden sich im Laufe des Lebens ergeben. Aber am Anfang sollten sie nicht nur über Schwierigkeiten nachden­ken, sondern alles wollen. Femtec bietet ihnen auf diesem Weg eine hervorragen­de Unterstützung und Begleitung.

Prof. Dr. Johanna Wanka, Aufsichtsratsvorsitzende der Femtec GmbH.
Fotocredit: picture alliance